Fender  Classic Player 60´ Stratocaster

 

 

Die Farbe Sonic Blue auf Fotos festzuhalten ist gar nicht so einfach. Am besten bzw. natürlichsten kommt die Farbe und auch das angegrünte Pickguard der Fender Classic Player 60´ Stratocaster zumindest auf meinem Monitor in dem Detailfoto vom Tremolo weiter unten heraus. Sunburst wäre einfacher gewesen, in der Farbe gibt es diese Gitarre auch.

Ich bin eigentlich nicht unbedingt Strat-Spieler, aber eine Stratocaster gehört in jeden Gitarristenhaushalt. Bisher hatte ich eine Sunburst US Standard von 1993, mit der ich diese Sonic Blue Schönheit in Sachen Klang weiter unten noch vergleiche. Irgendwann sah ich dann in einem Buch über die Stratocaster ein Foto einer Strat von 1962 in Sonic Blue mit dunklem Griffbrett und fortan spukte dieses Bild in meinem Kopf herum.

So eine musste es einfach sein. Als dann Fender die Classic Player 60´ in dieser Form 2007 herausbrachte, gab es kein zurück mehr. Wer kann sich schon ein Original aus den Sechzigern leisten, da kommen einem die 600 Euro, die man so ungefähr für dieses Modell aus Mexiko bezahlen muss gerade recht.

Mexiko? Genau, nix USA. Diese Gitarre wird genau wie das "Schwestermodell" Classic Player 50´ Strat mit US-Teilen in Mexico zusammengeschraubt. Das wohlklingende "Custom Shop Designed", das auch auf der Neckplate zu lesen ist, bezieht sich darauf, dass sich hier jeweils ein Custom Shop Mitarbeiter in Sachen Design der Gitarren austoben durften.

 

    

 

Den Auftrag "sixties Strat" bekam ein Herr Greg Fessler. Der entschied sich für die Spezifikationen, die diese Gitarre ausmachen sollten, wobei möglichst original sixties-getreu sicher nicht die Marschroute war. Diese Strat ist eine gelungene Mischung aus althergebrachten und modernen Zutaten.

Das Griffbrettmaterial war für das sechziger Modell vorgegeben, denke ich, das fifties Gegenstück hat eines aus Ahorn. Das Halsprofil ist ein mittelschweres C. An der Kopfplatte findet man die schönen alten Kluson-artigen Minidinger mit dem Loch oben im Schaft, die jetzt Ping vintage style tuners heißen und natürlich das Spagetti-Logo. Das Korpusholz ist Erle. Die Lackierung ist eher seventies-Polyester, dünner Nitro Lack ist nicht angesagt. Wer hier auf ein baldiges Eintreten von relic-artigen Scheuerstellen hofft, der wird sich die Beine in den Bauch hoffen. Der Lack hält ganz sicher ewig.

Die Plastikteile sind leicht grünlich angegilbt, das sieht gut aus. Der 12" Griffbrettradius ist gar nicht vintage,
er ist modern flach. Und auch die 21 Medium Jumbo Bünde kommen ganz anders daher als die dünnen Spagettidrähte auf den alten Originalen. 

Eine Besonderheit ist das Tremolo, das es so bisher nur bei einzelnen Custom Shop Modellen gab. Auch eine Mischung aus alt und neu. Es hat einen Gussblock und die aus Stahlblech gebogenen Böckchen der alten Trems, aber eine Aufhängung an zwei Messerkanten bzw. zwei Schrauben wie bei den neueren Standard Modellen. Es stellt sich mit den aufgezogenen 10ner Saiten als sehr stimmstabil heraus, was auch für saubere Arbeit am Sattel spricht. Natürlich sind Dive Bombs nicht drin, das ist kein Floyd Rose, aber alles andere geht völlig problemlos. Ich hoffe, dass das so bleibt, wenn ich meine favorisierte 11er Saitenstärke aufziehe. 

Die Federkammerabdeckung ist das einzige, was den Eindruck hinterlässt, dass man an irgendwas gespart hätte. Die ist im Gegensatz zum dreilagigen Pickguard nur einlagig.

 

    

 

Die Pickups sind ein Set Custom 69. Angeblich handgewickelt von der Oberwicklerin Abigail Ybarra, na, wenn das nix is  :-). So ein Set kann man momentan (August 2007) für ca. 180 Euro kaufen, sie hat also schon ganz schön viele davon handgewickelt. Das Set hat staggered Polepieces und der mittlere Pickup ist nicht vom anderen Ufer, Brummunterdrückung in den Zwischenpositionen gibt es also nicht. Die Regler regeln oldstyle, der Stegpickup hat somit keinen Tonregler (den er aber meiner Meinung nach durchaus verdient hätte). 

 

    

 

So eine Strat hat Ungereimtheiten oder Merkwürdigkeiten, wie z.B. das eben schon genannte Stegpickup Tonreglerding. Auch die staggered Polepieces sind ein eigentlich mit der Einführung der blanken G-Saite überholtes Relikt alter Zeiten, das sich aber hartnäckig am Leben erhält. Meine 93ziger Standard Strat mit flachen Pole Pieces ist dagegen z.B. eine Ausgeburt an Ausgewogenheit. Die klingt im Vergleich zur neuen Sonic Blue Schwester aber auch deutlich moderner. Und sie ist auch ungefähr doppelt so stark! Der gefühlte Unterschied in Sachen Output ist bei den beiden Gitarren überraschend heftig. Die Classic Player 60´klingelt im direkten Vergleich ziemlich dünnbrüstig, aber auch dynamischer und spritziger daher. Gerade dadurch und auch durch die staggered-bedingte leichte Unausgewogenheit hat sie aber eben diesen "vintage" Touch, den die 93ziger Standard nicht so richtig bietet. Eine Strat mit altem Sound muss einfach so sein und die Classic 60´ Strat hat diesen Sound ganz eindeutig parat. Uns das trotz dickem Lack, modernem Griffbrettradius und Zweipunkt-Trem. Das Experiment Vintage Sound mit modernen Zutaten ist hier wirklich gelungen. Das soll aber absolut nicht heißen, dass "vintage" Touch zwangsläufig besser sei. Die moderner klingende 93ziger Standard hat z.B. ihre Stärken nur woanders und alles bleibt Geschmackssache.

Geschmacksache ist sicher auch das Gewicht einer Strat. Manche mögen es leicht, manchen ist es egal und manchmal hört man, schwer würde auch ein Plus an Sustain mit sich bringen. Meine Sonic Blue Classic 60`ist nicht unbedingt ein Leichtgewicht, ich habe schon deutlich leichtere Strats in der Hand gehabt. Mich stört das nicht.

Nebenbei fällt mir dazu ein Artikel von Udo Pipper über die "richtige" Stratocaster in der Gitarre&Bass Ausgabe 03.06 ein. Sehr Lesenswert! (wie übrigens alle seine Artikel meiner Meinung nach, auch wenn sich manchmal die Geister daran scheiden)

Bei Mexiko Strats kommt einem die Verarbeitung in den Sinn. Die Bauteile kommen in diesem Fall aus dem Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten, haben also den US-Standard, was immer das auch sein mag. In Bezug auf die Verarbeitung kann ich hier einen Vergleich zur 93ziger US Standard Strat ziehen. Die beiden Strats geben sich dahingehend überhaupt nichts. Bei beiden stimmt in meinen Augen und Ohren alles.
Alles passt, klingt, flutscht und sieht gut aus. Ich kann da wirklich nur gute Noten verteilen.

Die Fender Classic Player 60´ Stratocaster gibt es momentan in Sonic Blue oder Sunburst für knapp unter 600 Euro incl. brauchbarem Gigbag. Ich halte das für ein sehr gutes Angebot und empfehle jedem, sie mal anzutesten. Da gibt es eine Menge Stratocaster fürs Geld. Zum Kauf eines vernünftigen passenden Koffers dazu würde ich aber trotzdem oder gerade deshalb raten!

 

Hier noch zwei Bilder von der Classic Player 60´Strat und der 93ziger Fender US Standard Strat angerichtet auf frisch abgeerntetem Stoppelkornfeld an gedecktem Himmel:

 

 

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© Bilder und Text, Dieter Stenzel,08.07.2007