FENDER  DELUXE  REVERB

 

Ein Silverface aus dem Jahr 1978

 

 

In den Siebzigern waren die Reglerplatten der Fender Verstärker silbern, das ist die sogenannte Silverface Aera. Gegen Ende dieser Zeit  wurde der kleine Fender Amp, der uns hier auf den Fotos anlächelt, gebaut. Laut Seriennummer im Jahr 1978.

Der Deluxe Reverb ist ein absoluter Klassiker. Mit seiner nicht allzu großen Endstufenleistung von 22 Watt aus zwei 6V6 Röhren ist er zwar nicht gerade ein Wunder an Lautstärke und die Endstufe gerät recht früh in die Sättigung, aber gerade das ist einer der Gründe für seine Beliebtheit. Man kann auch auf kleineren Bühnen schon einen schön verzerrten, gut mit dem Anschlag und dem Poti steuerbaren Sound erzeugen, ohne dass der Wirt einem gleich den Strom abdreht. Unterschätzen sollte man den kleinen Würfel aber trotzdem nicht.

 

     

 

Die grundlegende Austattung des Deluxe Reverb, bzw. der meisten Black- und Silverface Fenderamps dürfte wohl so ziemlich jedem Gitarristen bekannt sein. Zwei unabhängige Kanäle, Normal und Vibrato genannt. Dazu Reverb (Hall) und ein fälschlicherweise mit Vibrato bezeichnetes Tremolo (eine in Geschwindigkeit und Intensität regelbare Lautstärkeschwankung) im eben genannten Vibrato Kanal. In beiden Kanälen gibt es jeweils einen Lautstärke, einen Höhen- und einen Bassregler. Mittenregler und Bright-Schalter sind den größeren Fender Amps vorbehalten.

Gerade in der Silverface Zeit in den Siebzigern mussten aber einige Fender Klassiker, wie der Twin Reverb, der Super Reverb und eben auch der kleine Deluxe Reverb zeitweise einige technische "Verbesserungen" unterschiedlichster Art über sich ergehen lassen.
Da gab es z.B. eine Weile ein extremes Aufrüsten der Endstufenleistung (besonders beim Twin), Mastervolume Regler und beim Deluxe Reverb ab ca. 1977 bis 1980 einen Pull Boost Schalter im Vibrato Kanal. Zu sehen links auf dem folgenden Foto der Vibrato Kanal Potis.

 

   

 

Seinen größeren Brüdern gegenüber hat der Deluxe Reverb mit seinem einsamen 12 Zoll Lautsprecher den Vorteil der wesentlich angenehmeren Tragbarkeit. Den kleinen Deluxe kann man wunderbar mit dem Gitarrenkoffer in der anderen Hand zur Bushaltestelle tragen. Ein Twin oder ein Super ist da ein ganz anderes Kaliber.

Mein Deluxe Reverb ist von den Röhren über den CTS-Speaker bis zum ungewohnt aussehenden Stecker am Stromkabel komplett original und wie frisch aus dem Ei gepellt. Sogar das Manual ist dabei, Fotos davon gibt es weiter unten. Viel Rock´n Roll hat er noch nicht erlebt. Er scheint eher ein Wohnzimmerdasein hinter sich zu haben, was mir natürlich ganz recht ist. Der merkwürdige US- Stecker wird momentan in einen Spannungswandler gesteckt, da es sich hier um einen Amp handelt, das für das amerikanische 117 Volt Stromnetz ausgelegt ist. Der Betrieb mit dem Spannungswandler ist problemlos, man hat nur ein Bauteil mehr zwischen Amp und Steckdose. Zu sehen ist deshalb hier auch die Stromabzapfbuchse anstelle des roten Spannungswahlschalters links in der Rückseite des Verstärkers. In naher Zukunft werde ich aber wohl den Netztrafo tauschen, damit alles ganz normal in die Steckdose geht. Sollte sich das klanglich auswirken, werde ich hier darüber schreiben. 
Nachtrag: der Verstärker hat mittlerweile einen passenden Netztrafo von TAD und ich konnte keine klanglichen Auswirkungen feststellen. Optisch sieht man auch nichts. Abgesehen vom Stecker ist sogar noch das originale Netzkabel dran :-) Nur die Stromabzapfbuchse in der Rückseite ist abgeklemmt, also funktionslos. 

 

  

 

In Bezug auf den Klang kommt aus dem Amp sofort das, was man erwartet. Eben genau das, was man unter Blackface Fender Sound versteht. Ob Twin Reverb, Super Reverb oder Pro Reverb, alle haben diesen einen Grundcharakter in unterschiedlichen Variationen und Verpackungen parat, auch die späteren Silverface Reverb Amps. Trotz der anderen Endstufenröhren reiht sich auch der Deluxe Reverb nahtlos in diese Riege ein. Er ist nur ein bisschen kleiner. Fast der kleinste, aber es gibt ja noch den Princeton.

Der Deluxe Reverb hat grundsätzlich natürlich nicht den Druck und das Bassvolumen eines Twin oder (etwas weniger) eines Super Reverb zu bieten, was an der Ausgangsleistung und an der Lautsprecherbestückung liegt, vielleicht auch am Outputtrafo. Dem kann man leicht etwas entgegenwirken, indem man eine Zusatzbox anschließt. Das kann je nach verwendetem Lautsprecher enorm viel bringen, leider aber auch ganz schön viel kaputt machen. Hier wird sehr schnell deutlich, wie viel Einfluss Lautsprecher auf den Klang haben. Ich habe zum Beispiel eine hinten offene Zusatzbox mit einem Celestion Vintage 30 Speaker an diesen Deluxe Reverb angeschlossen. Das Resultat ist ein ziemlich verblüffendes Plus an Leistung, das z.B. total cleane Sounds auch mit meiner Humbucker Gibson ES 135 in einer für mich bei den Proben absolut ausreichender Lautstärke möglich macht. Der CTS Speaker im Verstärker wird dabei  in den Hintergrund gedrückt und übertönt. Leider ändert sich auch der Klang. Der typische bauchige Fender Klang, der durch den eingebauten CTS Speaker schön hervor gebracht wird, wird vom Vintage 30 fast völlig glatt gebügelt. Der Klang wird "moderner" und verliert deutlich an Charakter. Mein ganz subjektives Fazit dazu: ein Celestion Vintage 30 hat in einem Blackface oder Silverface absolut nichts zu suchen.

Wie eben angesprochen hat dieser Deluxe Reverb den typischen bauchigen Fender Clean Sound parat. Rund und perlend schüttelt er den mit links aus dem Ärmel, was ja auch zu erwarten ist. Genau wie beim Super Reverb kann man wunderbar Verzerrer vorschalten um den Amp etwas anzupusten, zuviel Verzerrung ist meiner Meinung nach aber auch beim Deluxe Reverb fehl am Platze und zerstört das, worauf es bei so einem Amp eben ankommt. Wer High Gain braucht, sollte sich einen entsprechenden Amp zulegen, keinen Deluxe Reverb.

Trotz Fender Sound mit links wird hier aber deutlich, dass es Unterschiede zwischen den Deluxe Reverb Baureihen gibt. Es ist öfter mal zu lesen, die späteren Silverface Amps würden etwas kräftiger und rauer klingen als die alten blackface Versionen aus den Sechzigern. Einen Vergleich zu einem alten Blackface kann ich leider mangels passendem Amp nicht anstellen (schön wäre es!). Dafür aber einen Vergleich zum aktuellen 65´ Deluxe Reverb Reissue, der im Gegensatz zum noch point to point verdrahtetem Silverface mit Platinen bestückt ist. Der Reissue hat mehr Höhen und weniger Bässe, bei meinem Silverface ist im direkten Vergleich sozusagen das gesamte Frequenzspektrum ein gutes Stück nach unten gerutscht. Diese ganz hohen Flirrhöhen sind nicht da, dafür aber recht deutlich mehr Druck. Der Klang ist wirklich kräftiger, als rauer würde ich ihn aber nicht bezeichnen. 

Zum Thema Blackface/Silverface sind allgemein auch noch die Gehäuse zu erwähnen, die sicher auch eine Auswirkung auf den Klang haben. Ich habe einen Blackface Super Reverb aus dem Jahr 1966, der auch einen Testbericht in dieser Website hat. Bei diesem Amp ist das Gehäuse aus massivem Holz, wahrscheinlich wohl Kiefernholz und das Baffleboard, das die Speaker trägt ist über Leisten an das Gehäuse verschraubt. Man kann wohl davon ausgehen, dass ganz alte Deluxe Reverb auch so gebaut wurden. Mein hier beschriebener Silverface Deluxe Reverb hat dagegen ein Gehäuse aus Pressspanplatten und ein ebensolches Baffleboard, das außerdem auch noch verleimt ist. Das hat sicherlich Auswirkungen auf den Klang und die klanglichen Unterschiede zwischen Black- und Silverface Fenderamps sind sicherlich wohl auch zum Teil damit zu begründen.

Abgesehen von diesem Klangunterschied, der schlicht und einfach unter Geschmackssache abzubuchen ist, höre ich beim Reissue nichts, was ich als "schlechter" deklarieren könnte. In Sachen Ansprache, Dynamik, Spielgefühl geben sich beide nichts.

Allerdings muss ich dazu schreiben, dass ich meinen inzwischen verkauften Reissue dafür etwas auf die Sprünge helfen musste. Mit den vom Werk eingebauten Röhren und dem damals serienmäßig verwendeten Fender Special Design Speaker klang mein Verstärker sehr harsch und hart. Der Übergang zwischen clean und verzerrt war sprunghaft und unsauber. Nach dem Tausch der Endstufenröhren gegen JJ6V6 und dem Ersetzen des originalen Lautsprechers durch einen Weber Speaker klang der Verstärker dann aber sehr gut.

Die jetzt erhältlichen 65´Deluxe Reverb Reissues mit Jensen Speaker klingen aber nach meinen Erfahrungen von der Stange weg klasse.

 

  

Der Deluxe kommt mit allen meinen Gitarren sehr gut klar, nicht nur mit der abgebildeten Telecaster. Ob ES, Strat, Tele oder sogar Archtop, alles funktioniert bestens. Solange man nicht in Heavy Gefilde will, ist man mit diesem Amp für alles gerüstet. Der Übergang zwischen clean und verzerrt passiert fast unmerklich ohne Sprünge und lässt wunderbar dynamisches Spiel zu. Mit Strat und Tele zerrt es natürlich später als mit einer Humbucker Gitarre, die typischen Klangeigenschaften der unterschiedlichen Gitarren werden ganz klar herausgestellt. Mit Vorschaltpedalen harmoniert dieser Amp prächtig. Das der Deluxe Reverb ein Klassiker ist, muss einen wirklich nicht wundern. Er ist einfach schnörkellos gut.

Fast hätte ich es vergessen, es gibt ja noch den Hall, das Tremolo und den ominösen Pull Boost Zug-Schalter. Dieser Schalter ist für mich ein fest eingestellter Treble Booster. Bässe werden ziemlich heftig beschnitten, harte Klingelhöhen kommen hinzu, die Lautstärke wird etwas angehoben und leider auch Rauschen in nicht unerheblicher Intensität hinzugefügt. Für mich ist das schlichtweg unbrauchbar. Dass dieses "Feature" nach der Rückkehr zur Blackface-Optik 1981 wieder in der Versenkung verschwunden ist, wundert mich nicht.

Der Hall des Deluxe ist im Vergleich zu dem meines Super Reverb viel besser zu kontrollieren. Er wird nicht zu schnell Kathedralen-artig groß. Dreht man ihn weiter auf, hört man sofort völlig authentisch die Ventures, die Shadows und andere Surf-Ikonen. Pipeline oder shot in the dark gehen ab wie Luzie, das macht höllisch Spaß!

Das Tremolo ist butterweich und tiefer als bei meinem Super Reverb. Klingt klasse, ist allerdings im Regelbereich nicht ganz so intensiv. Ein richtig Stakkato-mäßiges auf und zu ist nicht ganz möglich. Es ist fast so, als ob das Signal ähnlich wie bei einem parallelen Effektweg zu einem kleinen Teil nebenher läuft.

Vor dem abschließenden Foto noch zwei kleine Tipps: 
Erstens: wenn man sich nach dem Einstöpseln in den Vibrato Kanal über Rauschen wundert oder gar ärgert, sollte man einfach mal die Regler des Normal Kanals zudrehen. Es kann gut sein, dass sich die Nebengeräuschen dann plötzlich in Richtung Null reduzieren. Bei meinem ist das so.

Zweitens: einen Fender Deluxe Reverb verkauft man nicht, denn man wird ihn garantiert vermissen! 
Das weiß ich aus eigener Erfahrung und deshalb ist mein zweiter Deluxe Reverb, eben dieser Silverface auch unverkäuflich.

 

 

Bilder vom originalen Manual des Silverface Deluxe Reverb von 1978 gibt es HIER.

 

Aufgrund mehrerer Anfragen gibt es  HIER  noch als Zugabe jede Menge Bilder vom Innenleben des Deluxe Reverb SF von 1978.

 

© Bilder und Text, Dieter Stenzel, 12.01.2007

 

ZURÜCK