Die Gibson ES 135 kam in der ersten Hälfte der neunziger Jahre auf den Markt und wurde ca. 2005 vom Nachfolger ES 137 abgelöst. Hergestellt wurde sie in Memphis/USA. Es ist die erste Semi-akustische Gitarre mit einem spitzen, sogenannten florentinischen Cutaway überhaupt.

Es gab allerdings bereits 1954 bis 1958 eine ES 135, die sich vom späteren Modell allerdings recht deutlich unterscheidet. Das Urmodell hatte im Gegensatz zur heutigen Namensschwester keinen Sustainblock, sie hatte also einen komplett hohlen Korpus. Außerdem hatte sie einen größere Korpustiefe, kein Cutaway und nur einen einzelnen P90 Pickup.

Auch das spätere Modell gab es in verschiedenen Versionen. Die ersten ES 135 hatten Anfang der Neunziger zwei P100 Pickups und einen relativ schmalen Ahornhals. Die P100 Pickups sind optisch den P90 Single Coils nachempfundene doppelspulige Tonabnehmer, also Humbucker. Einen sehr guten Ruf haben diese Pickups nicht gerade und auch ich finde sie klanglich eher schwachbrüstig und undynamisch. Den Vorbildern, also den P90, sind sie klanglich unterlegen und ein Umbau auf die P90 Single Coils wertet eine passende ES 135 deutlich auf, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Allerdings brummen die P90 Single Coil typisch etwas.

In der zweiten Hälfte der Neunziger erschien die Gibson ES 135 LE, die Limited Edition. Wie der Name sagt, sollte es eine begrenzte Auflage einer etwas veränderten 135 sein. Die Änderungen betrafen den Hals, der nun ein deutlich breiteres Palisandergriffbrett hatte und im Gegensatz zum Ahorn des regulären Modells aus Mahagoni war, und die Pickups. Die Gibson ES 135 LE hatte zwei Classic 57´Humbucker. Die Humbucker veränderten den Klang der Gitarre natürlich, aber auch der Mahagonihals machte sich im Vergleich zu Ahornhals deutlich bemerkbar. Er bewirkt eine weichere Ansprache und einen etwas weniger spritzigen, sozusagen jazzigeren Klang als die ES 135 mit Ahornhals. Auch dies weiß ich aus eigener Erfahrung, denn ich habe alle ES 135 Modelle besessen und konnte sie direkt miteinander vergleichen.

 

 

Die Gibson ES 135, die mir am besten gefällt, die ich jetzt noch habe und die hier als Test- und Fotomodell herhält, ist das letzte Serienmodell mit Classic 57´Humbucker und Ahornhals.
Um die Jahrtausendwende (was für ein Wort) wurde das Limited Edition Modell eingestellt und es gab das Serienmodell mit den breiteren Halsmaßen der LE und wahlweise den Classic 57´ oder den P100 Humbucker. Das Halsmaterial ist wieder Ahorn, was mir persönlich besser gefällt.

Zwischendurch gab es auch Custom Shop Sondermodelle mit deckenden Lackierungen (Farben: Custom Coral, Mint Green, Daddy-O-Yellow und Outta Sight White), aufgeklebten Pin Up Girl - Motiven, P90 Pickups, Bigsby Vibrato, Halsbinding, Trapez-Inlays im Ebenholzgriffbrett, Mahagonihals und Rockabilly-Flair zu wirklich sehr erstaunlich hohen Preisen in geringer Auflage. Sammlerstücke eben. ES 135 Swingmaster hießen diese Anfang 1999 auf den Markt gebrachten Gitarren. Einen Testbericht einer ES 135 Swingmaster in Mint Green gibt es in der Zeitschrift Gitarre&Bass, Ausgabe 2/2000.

Um 2005 herum wurde die ES 135 dann von den unterschiedlichen ES 137 Modellen abgelöst.

Allgemein ist noch zu sagen, dass die 135 das günstigste Modell der ES Serie von Gibson war. Die Ausstattung ist eher schlicht sparsam, der Hals hatte kein Binding, "nur" Dot Inlays und der Schriftzug auf der Kopfplatte ist nur goldene aufgeklebte Folie. Die Korpustiefe liegt zwischen den Thinline Modellen a la ES 335 und den dicken Jazzgitarren, wie z.B. der ES 175. Die Elektrik entspricht der einer typischen Gibson Les Paul.

 

       

 

Die Gibson ES 135, die hier zu sehen ist, ist meine Hauptgitarre. Ich habe zwar mehrere Gitarren, aber sie ist im Grunde die einzige, die ich wirklich benutze. Ich schone sie nicht gerade und das sieht man ihr an vielen Ecken und Kanten auch an. Mittlerweile hat sie z.B. schon drei heftige Umfaller glücklicherweise ohne Kopfplattenbruch überlebt.

Einige Sachen habe ich an ihr verändert. Aus optischen Gründen habe ich die originalen schwarzen Potiknöpfe gegen die meiner Meinung nach wesentlich schöneren goldenen getauscht. Mehr aus Neugier habe ich das so genannte Fifties Wiring mit Bumblebees einbauen lassen, was mir Anfangs gar nicht sonderlich gefiel. Mittlerweile habe ich mich aber an die andere Arbeitsweise der Ton Potis gewöhnt und arbeite auch damit. Außerdem habe ich ein Bigsby B12 installiert, weil ich das leichte Schimmern und Wimmern dieses alten Vibratosystems immer schon mochte und auch viel nutze
Leichte Stimmungsprobleme, die durch das Bigsby verursacht wurden, habe ich mit Kluson Locking Mechaniken behoben. Einen Testbericht zu diesen Klemm-Mechaniken gibt es HIER.
Der Gurt wird abrutschsicher durch so genannte Strap Locks von Schaller gehalten. Eine gute Erfindung, finde ich. Mittlerweile habe ich ihr auch den Les Paul-typischen Rhythm/Treble Ring unter dem Toggle Switch spendiert, den man auf dem neueren zweiten Foto von oben und dem großen ganz unten sehen kann. Serienmäßig hatten die ES 135 diesen nicht mit an Bord.

An andere Pickups habe ich ab und zu mal gedacht. Manchmal kam der Gedanke, dass High End Teile a la Kloppmann oder ähnliches der Gitarre vielleicht ganz gut stehen könnten. Aber immer wenn ich die Gitarre spiele, denke ich, dass diese eigentlich nur anders klingen können und das brauche ich nicht. Ich finde, die Classic 57´ passen hervorragend zu den ES Gitarren, es sind sehr gute Pickups.

 

             

 

Eine ES 135 hat ihren eigenen Klang. Die Limited Edition mit Mahagonihals hat sehr viel von einer ES 175, ist aber nicht ganz so jazzig und hat mehr Sustain. Die Ahornhalsbestückten 135 klingen etwas höhenreicher und dynamischer, ich würde sogar sagen deutlich lebendiger. Im Vergleich zu einer ES 335 klingen sie weniger wuchtig und haben etwas mehr "Holz" im Klangbild. Ich finde, eine 135 klingt etwas weniger "elektrisch" als eine 335. Das Sustain ist länger als das meiner Fender Stratocaster, aber kürzer als das einer Gibson Les Paul. 

Für mich ist die 135 eine wunderbare Allroundgitarre. Clean kann sie von gedeckten Jazzklängen bis zu höhenreich perlendem Geklingel alles in souveräner Qualität bieten. Wobei ich bei cleanen Sounds eigentlich nur den Halspickup oder die Zwischenposition benutze. Das hat einfach mehr Bauch und Tiefe als der kompakt klingende Stegpickup aufgrund seiner Position hervor rufen kann. Der hat eher bei verzerrten Sounds seine Stärken. (wie bei anderen Gitarren eigentlich auch)

Verzerrt geht es ebenso souverän ab, vom Stones Crunch bis Hard Rock ist alles problemlos machbar und es klingt einfach klasse. Eigentlich ist sogar High Gain drin, wenn man auf die Rückkopplungen reagiert, die dann doch etwas früher eintreten als bei einer Solid Body, aber irgendwie passt die Gibson ES 135 bzw. eigentlich jede ES schon aus optischen Gründen da natürlich nicht hin.

Dabei reagiert sie sensibel auf das, was der Spieler eingibt. Anschlagsvariationen werden in feinen Klangnuancen und dynamischem Output umgesetzt. Mit dieser Gitarre kann man richtig "Musik" machen und etwas ausdrücken. 

 

             

 

Zur Qualität, bzw. der Verarbeitung der ES 135 habe ich mehrmals nicht ganz positives gelesen. Meine Erfahrungen sind dagegen positiv. Ich habe drei ES 135 in verschiedenen Ausführungen besessen, die jetzige, eine LE und eine aus der ersten Serie. Alle drei waren bzw. sind sehr gut. 

Auch die paar anderen 135, die ich mal kurz aus Neugier in die Hand nehmen konnte, machten einen guten Eindruck. Beim Nachfolgemodell ES 137 sieht es nach meiner Erfahrung leider etwas anders aus. Bei den vier oder fünf, die ich bisher genauer unter die Lupe nehmen konnte, waren jedes Mal kleine Unstimmigkeiten da, meist in der Lackierung, die irgendwo unsauber rüber kam.

 

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                                                                                                                 © alle Bilder und Text, Dieter Stenzel,14.05.2007

 

 

Eine kleine Anmerkung als Nachtrag im November 2014:
Die Gitarre ist immer noch mein Hauptinstrument und sieht auch noch von ein paar Kratzern abgesehen genauso aus.